Die Idee klingt ganz banal – Stadtbesichtigung mit Kind

Wir waren durch unseren Urlaub in Österreichs Bodental bei Ferlach in der komfortablen Situation im Drei-Länder-Eck Österreich/Slowenien/Italien zu residieren. Bei der abendlichen Suche nach den nächsten zu planenden Aktivitäten blieben wir auf Google Maps hängen – denn Venedig war gar nicht soo weit von unserem Standort entfernt. Nur knappe 3 Stunden mit dem Auto, sagte die Navigations-Vorhersage. Somit stand das nächste Tagesziel fest – eine Stadtbesichtigung von Venedig. Wir wollten schon immer mal dorthin, um uns davon selbst zu überzeugen, ob Venedig wirklich voller Tauben ist und stinkt oder ob das wieder als Vorurteil entlarvt wird.

Es blieb noch die Frage offen, was wir für den Kleinen alles mitnehmen wollen/ sollen/ müssen. Neben den „All Time Favorites“ Flaschen, Wechselsachen und Wickeltasche mussten wir uns noch entscheiden: Kinderwagen oder Trage oder sogar beides?

Wir haben uns für beides entschieden. Der Gedanken, ihn im Wagen auch mal schlafen zu lassen, während wir uns die Stadt ansehen, war recht verlockend. Ob das eine gute Idee war, erwähne ich noch.

Wenn man sich über Venedig oberflächlich informiert, bekommt man die Auskunft, dass es 1) dort keine Autos gibt und 2) erst recht keine Parkplätze.

Wir entschieden uns daher einen „strategisch günstig gelegenen Parkplatz“ zu nehmen, der gleichzeitig auch einen Transfer Bus bis zum Piazzale Roma (einziger Platz in Venedig wo es Autoverkehr gibt) anbietet. AliPark bot uns diesen Service für 35€, inklusive parken für einen Tag. Im AliPark Transfer Bus erfahren wir vom Fahrer, dass es ein Parkhaus am Piazzale Roma gibt, wo die Tagesgebühr 24€ betragen soll. Wer also nur einen Tagesausflug plant und mit dem eigenen Fahrzeug anreist, sollte dies in Betracht ziehen.

Wohin nur mit der Windel?

Wir wurden vorher vor dem Wind (fürs Kind) gewarnt – allerdings konnten wir an diesem Tag kein außergewöhnlich starkes Windaufkommen feststellen. Dafür machte uns die Hitze schon eher zu schaffen. Direkt nach der Ankunft am Piazzale Roma setzten wir uns in ein Restaurant und ließen uns mit mangiare e bere versorgen.

Nachdem das letzte Stück Pizza Prosciutto und der letzte Tropfen Pinot Grigio finito waren, stand die erste Herausforderung an: Wickeln! Die öffentliche Toilette im Obergeschoss (im besagten Parkhaus), für dessen Benutzung 1,50€ veranschlagt wurde, kam nicht in Frage, da diese dafür nicht ausgelegt war. Dies mussten auch weitere fragende Pärchen mit Kinderfuhrpark feststellen. Netterweise durften wir im Inneren des Restaurant auf einem Tisch wickeln. Die Wickel-Herausforderung begleitete uns durch den gesamten Venedig Aufenthalt. Wir waren sogar gezwungen, ihn vor einer kleinen Ponte auf dem Gehweg zu wickeln.

Erste Brücke, erste Ernüchterung

Nachdem die erste Windel-Quest gelöst wurde, machten wir uns auf, die Stadt zu entdecken. Die erste der Venedig-berühmt-machenden-Gebilde, die wir erreichten, war die Ponte della Costituzione. Wir haben zuvor mit dem Kinderwagen Brücken bewältigt – diese jedoch, gepaart mit der ungnädigen Sonneneinstrahlung in das Gesicht von unserem Kleinen, waren zuviel des Guten. Auf der höchsten Ebene der Brücke mussten wir akzeptieren, dass er ausziehen muss – und zwar in die Trage. Fortan trug meine Frau den Kleinen per Trage und ich fuhr den, nun mit dem Rucksack gefüllten, Kinderwagen Stufen herauf und Stufen herunter. Sanft ging dies auf Dauer tatsächlich nicht mehr und ich war froh, einen unbewohnten Kinderwagen vorbei an den Menschenmassen rüttelnder Weise die Steinstufen auf und ab zu schieben / zerren. Auf unserem Weg vom Piazzale Roma zum Piazza Sant Marco (Markusplatz) lagen sage und schreibe 14 Brücken!

 
Blick auf die Scalzi-Brücke / Ponte degli Scalzi in Venedig

Blick auf die Scalzi-Brücke / Ponte degli Scalzi in Venedig

Der Weg ist das Ziel

Mit dem Smartphone als Navigationsgerät in der einen Hand und dem Griff des Kinderwagens in der anderen ging es in Richtung Riaoltobrücke, welches als erstes ausgesuchtes Sightseeing-Objekt auf unserem Weg lag. Unterwegs kamen wir am Campiello S. Simeone Grande vorbei – einem kleinen Platz zwischen all den Häusergassen, welche wir durchquerten. Hier hatten wir die erste und einzige Begegnung mit den ortsansässigen Tauben. Ein Venezianer fütterte und spielte mit ihnen, als wären es seine Haustiere. Ansonsten hatten wir „vergeblich“ auf die Taubenschaaren gewartet, von denen wir im Vorfeld gehört hatten.

Die schmalen Gassen boten ausreichend Schatten, welchen wir am Anfang noch so vergeblich suchten. Wenn man sich Nachschub an Wasser besorgen möchte und in einem der Gassen-Geschäfte Halt macht, so sollte man nicht das erste Angebot annehmen. Im ersten Laden wollte der Verkäufer für eine 1,5 Liter Wasserflasche 4€ haben – im zweiten waren es 2,40€ – für zwei 1,5 Liter Wasserflaschen!

Die Rialtobrücke – Ponte di Rialto

Nachdem wir uns durch die teils schmalen Gassen und über die kleinen und großen Brücken auf dem Weg gekämpft hatten, kamen wir nun an unserem ersten Ziel an: Der Rialtobrücke. Die Befürchtungen wurden knallharte Realität – es handelte sich um eine noch größere und belebtere Brücke! Es half nichts – mit geübter Gradlinigkeit gepaart mit einer Prise Ignoranz ruckelte der Kinderwagen die steinernen Stufen hinauf, vorbei an Touristen und Geschäften. Oben angekommen folgten die obligatorische Panoramaaufnahmen. Man(n) hat gewisse Foto-Standortvorteile bei einer stattlicheren Körpergröße – somit kann man auch aus der zweiten Reihe Fotos von der Rialtobrücke machen, ohne die Selfie-Anfälle der übrigen Touristen abwarten zu müssen.

 
Gut besuchte Rialtobrücke in Venedig

Gut besuchte Rialtobrücke in Venedig

Der Rialtoabstieg gestaltete sich wie der Aufstieg, nur war der Kinderwagen nun vor mir. Das beruhigende an der ganzen Rackerei war es, auch andere Väter mit derselben Aufgabe zu sehen. Scheinbar war die Vorstellung, den Kinderwagen nutzen zu wollen, auch für andere nicht völlig abwegig. Von der Rialtobrücke sollte es nun in Richtung Markusplatz gehen. Dort gibt es gleich mehrere Sehenswürdigkeiten, welche wir uns in der kurzen Vorbereitungsphase ausgeguckt hatten.

Immer den Schildern nach

Eine Mobile Navigationhilfe ist eigentlich nicht erforderlich, da an den geeigneten Häuserecken Schilder angebracht sind, die zu den Hauptanlaufstellen der Stadt führen. Durch kleine Gassen mit kleinen Brücken über große Gassen mit großen Brücken kamen wir nun endlich am Markusplatz an. Hier tummelten sich die meisten Touristen, jedoch auf relativ großem Raum verteilt. Der Markusplatz verbindet gleich mehrere venezianische Attraktionen: den bekannten Markusdom, die nationale Bibliothek, den Dogenpalast, den großen Markusturm und den Glockenturm.

Blick auf den Markusdom / Basilica di San Marco in Venedig

Blick auf den Markusdom / Basilica di San Marco in Venedig

Nationale Bibliothek / Biblioteca Nazionale Marciana und der Dogenpalast / Palazzo Ducale

Nationale Bibliothek / Biblioteca Nazionale Marciana und der Dogenpalast / Palazzo Ducale

Ganz in der Nähe des Markusplatzes findet man auch die bekannte Seufzerbrücke von Venedig. Diese verbindet den Dogenpalast und das neue Gefängnis. Sie erhielt ihren Namen in der Vorstellung, dass bei dem Gang vom Gericht zu den Kerkerräumen die Verurteilten mit einem Seufzen das letztes Mal die Freiheit in Form der Lagune erblickten.

Seufzerbrücke / Ponte dei Sospiri in Venedig mit Gondeln auf dem Canal

Seufzerbrücke / Ponte dei Sospiri in Venedig mit Gondeln auf dem Canal

Wir machten uns anschließend wieder auf dem Weg zum Piazzale Roma, da der Transfer Bus uns zu einer abgemachten Zeit wieder einsammeln sollte.

Endlich Freiraum

Mit einem kurzen Zwischenstopp in einer Eisdiele und dem ein oder anderen Foto-Break, kamen wir auf dem umgekehrten Wege wieder in Richtung Ponte della Costituzione. Achtung Eltern: Es gibt hier den Giardini Papadopoli Park. Hier kann man sich ein schattiges Plätzchen beim Spielplatz suchen, ein wenig verschnaufen und verweilen. Somit bekam unser Kleiner den Bewegungsfreiraum, den er unlängst eingefordert hatte. Bis dahin hatte er gut durchgehalten, wenn man davon ausgeht, dass es in dieser Stadt nur sehr wenige Gelegenheiten gibt, den kleinen Erdenbürgern etwas Rumkrabbelei auf dem Boden zu ermöglichen.

Das teuerste WC der Stadt

Wir nutzten die uns noch verbleibende Stunde, um im Park den neuen Turnübungen von Junior zuzusehen und die Beine etwas auszustrecken. Etwas Entspannung tat gut, denn die Rückfahrt von über drei Stunden stand kurz bevor. Am Piazzale Roma mit einem Fünf-Minuten-Polster angekommen, wurde das nächste WC angesteuert. Der Transfer Bus verspätete sich und kam nach einem Erkundigungstelefonat innerhalb von fünf Minuten, um uns einzusammeln und zurück zum Parkplatz zu bringen. Der Transfer Bus fuhr los und der Fahrer fragte nach den Tickets. In diesem Moment fiel meiner Frau auf, dass Sie zwar im Bus saß – Ihr Portemonnaie jedoch noch auf dem WC verweilte. Auf Kommandos wie Stop! Money away! Passport gone! Turn around! fiel der Fahrer nicht herein und nickte nur eifrig und lies uns wissen, dass er das Ticket gar nicht so dringend sehen bräuchte. Es gibt nur eine Straße nach Venedig. Wenn man auf dieser fährt, kann man nicht so leicht wenden. Die nächste Möglichkeit ist er wieder auf dem Festland – und das dauert gefühlte Ewigkeiten, wenn man bedenkt was innerhalb von wenigen Minuten auf einer öffentlichen Toilette passieren kann.

Parallel zu den Erklärungsversuchen meiner Frau bat ich den Google Translator um Hilfe – bevor dieser jedoch zum Einsatz kam, erklärte der per Telefon herbeigerufene AliPark Mitarbeiter dem Fahrer, dass ein Portemonnaie eines Fahrgasts auf einer Toilette gefunden wurde und er bitte umkehren solle. Wir drehten also endlich um und nahmen am Piazzale Roma das Portemonnaie inklusive Reisepass und Parkticket entgegen – das Geld hatte sich verflüchtigt. Das AliPark Parkticketmit Telefonnummer hatte uns in diesem Falle viel Ärger erspart und wir hatten keine Scherereien wegen dem Reisepass.

 

Venedig ist auf jeden Fall eine Reise wert. Man sollte sich einige Tage Zeit nehmen, um sich auch die umliegenden Inseln, wie Murano oder Burano anzusehen. Ausschließlich auf einen Kinderwagen bei der Stadtbesichtigung zu setzen, verspricht keine entspannte Zeit zu werden!

 

Zusätzliche bildliche Eindrücke zum Bericht